Lesson 1: Listen and Repeat
Lübecks Gänge und Höfe —
(zuletzt geändert am 30. Dezember 2020, 19:16 Uhr)
— Mittwoch, 30. Dezember 2020, 19:16 Uhr • Als kleinen Ausblick auf einen der schönsten Lübecker Stiftshöfe, gibt es zum Abschluss dieses denkwürdigen und unvergesslichen Jahres heute noch mal etwas zum Schmuzeln.
Wer offenen Auges über die Lübecker Altstadtinsel wandelt, wird früher oder später unweigerlich über die ein oder andere dieser dunkelbraunen Hinweistafeln stolpern, die an (fast?) allen geschichtsträchtigen Bauwerken angebracht sind. Und davon gibt es ja so einige. Da Lübeck eine weltoffene Stadt ist, die selbstverständlich nicht nur des Marzipans wegen Menschen aus allen Kontinenten anlockt, hat man keine Kosten und Mühen gescheut, diese Hinweistafeln nicht nur auf Deutsch, sondern, für die lieben Gäste, auch in englischer Sprache anfertigen zu lassen. Blöd nur, wenn man dann mit dem Anbringen dieser Tafeln jemanden beauftragt, der dieser Form der Kommunikation offensichtlich nicht gewachsen ist. Zumindest bei Glandorps Gang und Glandorps Hof in der Glockengießerstraße ist hier einiges durcheinander geraten, wie auf den beiden folgenden Beweisfotos deutlich zu erkennen ist:

Glandorps Hof, Glockengießerstraße 45-53
Veröffentlicht unter einer Fair-Use-Policy.

Glandorps Gang, Glockengießerstraße 41-43
Veröffentlicht unter einer Fair-Use-Policy.
Der Blick in ein Deutsch-Englisches Wörterbuch bringt es ans Licht: „Hof“ = courtyard und Gang bzw. „schmale Gasse“ = alleyway. Äußerst bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich übrigens die Tatsache, dass unter dem Begriff „Hof“ bei leo.org auch die Übersetzung „corona“ zu finden ist… und dabei hatte ich mir doch so fest vorgenommen, dieses Wort hier nicht zu erwähnen! (In der Astronomie bezeichnet man mit „Korona“ z. B. den durch Wolken entstehenden Lichthof um einen Himmelskörper, wie den Mond).
Damit die Verwechslung der Schilder deutlich wird und weil der Text auf den kleinen Fotos oben nicht so gut zu entziffern ist, hier die exakten Wortlaute und die korrekte Zuordnung der vier Tafeln:
Glandorps Hof | Glandorps Courtyard |
Gest. 1612 durch den Ratsherrn Johann Glandorp. Ältester der größeren Stiftungshöfe in Lübeck. Das Vorderhaus aus der Gründungszeit als langes Traufenhaus mit getreppten Zwerchgiebeln ausgebildet. Stiftungsinschrift und Stifterwappen über den Durchgang. Traufenhausflügel im Hof mit Wappen von 1609, 1872-84 teilweise erneuert. 1975/77 zu Wohnzwecken durchgebaut. | Founded in 1612 by the merchant and councillor Joseph Glandorp. The oldest among the larger courtyards of the charities in Lübeck. The front house from the time of the foundation as long streched house with stepped gables. Above the entrance to the main building hangs a richly decorated tablet bearing the charity’s inscription and the family crest. Winged building in the courtyard with crest from 1609, partly renovated between 1872 and 1884. Creation of apartments from 1975 to 1977. | Glandorps Gang | Glandorps Alleyway |
Gestiftet 1612 als Armengang zusammen mit dem benachbarten Hof. 1887 das Vorderhaus erneuert, dabei das um 1640 entstandene Stifterwappen in den Neubau übernommen. Der langgestreckte Gang einseitig mit eingeschossigen Buden, die sich an die Gebäude des Hofes lehnen, bebaut. 1975/77 im Inneren modernisiert. | Founded in 1612 als almshouse together with the adjoining courtyard. Renovation of the front house in 1887. In the long alleyway single-storied houses so called „alley shacks“ were built. Modernisation of the interiors from 1975 to 1977. |
Angesichts der erschreckend vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler drängt sich der Verdacht auf, die Druckerei von Johann Balhorn dem Jüngeren war an der Herstellung der Schilder beteiligt! Vielleicht möchte man aber auch nur die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher auf die Probe stellen und so für ein ganz besonderes Erlebnis sorgen. Immerhin bleiben solche unerwarteten Fehler besser in Erinnerung, als die Inhalte der Texte. Ich habe allerdings noch nicht herausgefunden, ob man etwas gewinnen kann, wenn man die Fehler erkannt hat…
Im nächsten Artikel wird sich also alles um die Geschichte von Glandorps Gang und Hof sowie Ilhorns Armenhaus drehen, das sich ebenfalls hinter der Fassade von Glockengießerstraße 39 bis 53 verbirgt. Guten Rutsch!
Olaf Pokorny ist nicht nur ein toller Fotograf. Er hat auch einen super Blog über die Lübecker Gänge und Höfe. Einfach lesenswert. Dieses „Schilder“-Memory ist mir bisher nicht aufgefallen.
Wer sich direkt ins lebendige Mittelalter mitnehmen lassen möchte, klickt einfach auf den unteren Link « Eine Reise ins lebendige Mittelalter /
Hier seht Ihr, was Euch bei einer Tour mit mir erwartet.
Ich freue mich auf Sie/Euch
Ihr
etwas anderer Stadtführer
Axel Schattschneider